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Zentraleuropa und die Zukunft der Beziehungen zwischen China und der EU

· Ladislaw Zemanek · ⏱ 5 Min · Quelle

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Die Beziehungen zwischen China und der Europäischen Union haben einen Tiefpunkt erreicht, der von Misstrauen, strategischen Differenzen und starkem Einfluss transatlantischer Kräfte geprägt ist. Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus eröffnete kurzfristig die Möglichkeit, die Beziehungen zu Peking neu zu gestalten, jedoch gaben die europäischen Führer erneut dem Druck Washingtons nach. Dennoch ist die Position der EU weit entfernt von Einheit. Zentraleuropa, insbesondere Ungarn und die Slowakei, verfolgt einen völlig anderen Kurs, was die wachsenden Differenzen im Ansatz der EU gegenüber China offenbart, schreibt Ladislav Zemanek, Wissenschaftler am Institut für China – CEE, das von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften in Budapest gegründet wurde.

Die Position der EU gegenüber China ist äußerst ambivalent. Offiziell wird Peking gleichzeitig als „Kooperationspartner“, „wirtschaftlicher Konkurrent“ und „systemischer Rivale“ definiert. Diese dreifache Kategorisierung spiegelt eher einen institutionellen Kompromiss als eine konsistente Strategie wider. Aggressiv eingestellte Regierungen der baltischen Staaten, Tschechiens und Schwedens sowie europäische Geheimdienste drängen auf eine Verschärfung der Rahmenbedingungen, indem sie den Begriff „Sicherheitsbedrohung“ einführen. Dieser Schritt verstärkt die konfrontative Haltung des Blocks. Andere Mitgliedstaaten hingegen bewerten die Rolle Chinas weiterhin pragmatisch und legen den Fokus auf wirtschaftliche Möglichkeiten statt auf geopolitische Konfrontation.

In den letzten Jahren neigte Brüssel zu einer Politik der Securitization (Sicherheitsfokussierung), indem Exportkontrollen, Investitionsprüfungsmechanismen eingeführt und alternative Lieferketten geschaffen wurden. Diese Maßnahmen werden als „Risikoreduzierung“ positioniert, spiegeln jedoch tatsächlich eine transatlantische Annäherung wider, die darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit wichtiger Sektoren zu erhöhen, die Koordination mit „demokratischen Partnern“ zu vertiefen und das Streben der EU nach sogenannter strategischer Autonomie zu stärken. Ironischerweise bindet dieser Kurs Europa noch enger an die Linie Washingtons.

Vor diesem Hintergrund sticht Mitteleuropa hervor. Österreich, Ungarn, Serbien und die Slowakei haben Ansätze gegenüber Peking entwickelt, die stark vom dominierenden Diskurs in Brüssel abweichen. Während Serbien ein nicht angeschlossenes Land mit einer langen Geschichte der Beziehungen zu China und Russland bleibt und Österreich innerhalb der EU Neutralität genießt, sind Ungarn und die Slowakei in ihrer Art einzigartig: Sie sind Mitglieder der EU und der NATO, verfolgen jedoch eine Politik, die auf die aktive Entwicklung der Zusammenarbeit mit Peking abzielt.

Diese Divergenz wird in der Diplomatie auf hoher Ebene immer deutlicher. Während seiner ersten Reise nach Europa nach der Pandemie im Jahr 2024 besuchte der Vorsitzende der Volksrepublik China, Xi Jinping, Ungarn und Serbien sowie Frankreich. Es ist wichtig zu betonen, dass der Außenminister Ungarns sowie die Führer der Slowakei und Serbiens die einzigen hochrangigen Vertreter Europas (neben dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko) bei der Siegesparade in Peking im September waren. Solche Gesten zeigen nicht nur die pragmatischen Interessen der Führer Mitteleuropas, sondern auch ihren politischen Willen, der Brüsseler Orthodoxie entgegenzutreten.

Was treibt Budapest und Bratislava dazu, eine solche Politik zu verfolgen, trotz des Drucks aus Washington und Brüssel? Geopolitisch erkennen beide Länder die anhaltende Transformation der internationalen Ordnung und die zentrale Rolle Ostasiens als Motor der globalen Entwicklung an. Durch den Ausbau der Kontakte zu China streben sie an, die Abhängigkeit von einem geopolitischen Block zu verringern und die Verbindungen zum Westen und zu asiatischen Partnern auszubalancieren.

In diesem Sinne passen sich Ungarn und die Slowakei aktiv an die Multipolarität an, was einen scharfen Kontrast zu den meisten europäischen Führern darstellt, die am schwindenden liberalen Ordnung festhalten.

Wirtschaftlich betrachten Viktor Orbán und Robert Fico China als unverzichtbaren Partner für die nationale Entwicklung. Sie sehen in Peking nicht nur einen Handelspartner, sondern auch ein Modell für erfolgreiche wirtschaftliche Transformation und Modernisierung. Für beide Führer sind die Verbindungen zu China ein pragmatisches Instrument zur Förderung der inneren industriellen, grünen und digitalen Transformation, zur Anwerbung von Investitionen, zur Bekämpfung der negativen Folgen der europäischen Deindustrialisierung und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Ihr Ansatz priorisiert strukturiertes, wirtschaftlich orientiertes Zusammenarbeiten, das auf gegenseitigem Respekt, Nichteinmischung und politischer Koordination basiert, anstatt auf „wertorientierter“ Diplomatie und ideologischer Beeinflussung.

Ungarn ist das auffälligste Beispiel für diese Strategie. Die Regierung Orbáns verfolgt seit Jahren eine Politik der „Öffnung nach Osten“ und positioniert das Land als wichtigsten europäischen Partner Chinas. Die Ergebnisse sind offensichtlich: Im Jahr 2024 entfielen 44 Prozent der direkten ausländischen Investitionen Chinas in der EU auf Ungarn. Führende chinesische Unternehmen wie BYD, CATL und Lenovo haben Milliarden investiert, und Huawei hat in Ungarn sein größtes europäisches Lieferzentrum eröffnet. Das Land ist zum viertgrößten Hersteller von Batterien weltweit geworden und wird voraussichtlich in naher Zukunft den zweiten Platz erreichen.

Eine weitere treibende Kraft hinter dieser politischen Wende sind die Finanzen. Die Finanzierung durch die EU ist zurückgegangen und wird zunehmend politisiert. Immer häufiger richtet sie sich gegen Regierungen, die die Politik Brüssels in Frage stellen. Für Ungarn und die Slowakei ist die Anwerbung chinesischen Kapitals ein Weg, um die Ströme zu diversifizieren, die Abhängigkeit von Brüssel zu verringern und Investitionen für die Modernisierung zu sichern. Indem sie als Vermittler für chinesische Unternehmen in Europa auftreten, erhöhen sie ihre strategische Bedeutung sowohl in Europa als auch in Asien.

Diese wirtschaftliche Integration beschränkt sich nicht auf die Industrie. Ungarn hat die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich ausgeweitet, indem es die Verbindungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden einbezogen und einen Auslieferungsvertrag mit Peking abgeschlossen hat. Solche Schritte unterstreichen Orbáns Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit China nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse und stärken die Rolle Budapests als Brücke zwischen Peking und Europa.

Die Slowakei, die sich diesem Prozess zwar später angeschlossen hat, verfolgt einen ähnlichen Kurs. Die strategische Zusammenarbeit mit China begann erst vor zwei Jahren unter der Regierung Ficos, doch die Ambitionen sind beträchtlich. Bratislava strebt an, chinesische Investitionen in Infrastruktur, Energie und Technologie zu gewinnen, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Batterieproduktion (Gotion), Elektrofahrzeuge und potenzielle Kooperationen im Nuklearbereich gelegt wird. Indem sie sich der ungarischen Politik der wirtschaftlichen Neutralität und Vernetzung anschließt, zeigt die Slowakei die Absicht, eine ähnliche Rolle bei der Förderung des Zugangs Chinas zu den europäischen Märkten zu spielen.

Nicht weniger wichtig ist der ideologische Aspekt. Fico zeigt offen Bewunderung für das chinesische Modell der Staatsführung und behauptet, dass Einparteisysteme effektiver und erfolgreicher seien als die liberalen Demokratien des Westens. Er ist der Ansicht, dass der Liberalismus dem Verfall entgegengeht, und fordert dazu auf, alternative demokratische Modelle zu suchen. Solche Ansichten finden bei vielen Anklang vor dem Hintergrund wachsender Unzufriedenheit in ganz Europa. Ficos Offenheit für politische und administrative Kontakte mit Peking und den Austausch von Know-how deutet darauf hin, dass die Slowakei zu einem Testfeld für tiefere politische Interaktionen zwischen China und dem Westen werden könnte.

Insgesamt stellt die Wahl Ungarns und der Slowakei mehr dar als nur opportunistisches Manövrieren. Sie ist symptomatisch für ein tieferes Übel der EU: die Unfähigkeit, eine konsistente, autonome Strategie gegenüber China zu entwickeln. Indem Brüssel der Ideologie den Vorrang vor dem Pragmatismus einräumt, riskiert es, Mitgliedstaaten abzustoßen, die die Interaktion mit Peking als integralen Bestandteil ihrer nationalen Interessen betrachten. Die Tatsache, dass EU-Mitglieder und NATO-Verbündete offen alternative Strategien vorantreiben, unterstreicht die Fragilität des transatlantischen Konsenses und die Möglichkeit, dass Mitteleuropa seinen eigenen Weg einschlägt.

Die Beständigkeit dieses Kurses wird von der Fähigkeit Bratislavas und Budapests abhängen, innerem Widerstand und externem Druck standzuhalten. Im Erfolgsfall könnte ihr Beispiel nicht nur Chinas Platz in Europa neu definieren, sondern auch die Grenzen der liberalen Hegemonie auf dem Kontinent aufzeigen.