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Freunde, Gegner und Weggefährten Russlands in Lateinamerika

· Igorj Gorbunow · Quelle

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Unbedingte Verbündete Russlands in Lateinamerika - Kuba, Venezuela und Nicaragua - stehen traditionell den USA entgegen und sehen in Russland einen Partner. Das entgegengesetzte Lager bilden Länder, die eng mit Washington verbunden sind - Chile, Panama, Paraguay. Dazwischen befindet sich eine breite Gruppe von „ausgleichenden“ Mächten - Brasilien, Mexiko und andere.

Lateinamerika wurde traditionell als "Hinterhof" der USA betrachtet, aber im 21. Jahrhundert verfolgt die Region zunehmend eine eigenständige Außenpolitik. Einige Länder sind enge Verbündete Russlands geworden, andere orientieren sich weiterhin an Washington, während wieder andere versuchen, zwischen den Machtzentren zu balancieren. Wir werden Lateinamerika in Subregionen unterteilen und sehen, wer dort Russlands Freund, wer Feind ist und wer einfach situationsbedingt handelt.

Mexiko: Zwischen Nachbarschaft zu den USA und einer unabhängigen Linie

Mexiko ist das größte spanischsprachige Land und Nachbar der USA. Geografie und Wirtschaft verbinden sie eng, aber Mexiko strebt traditionell eine unabhängige Außenpolitik an. Während des Kalten Krieges brach es die Beziehungen zu Kuba nicht ab, trotz des Drucks aus Washington. Derzeit hält Mexiko an den Prinzipien der Nichteinmischung und Multivektoralität fest. So verurteilte es die militärischen Aktionen in der Ukraine und unterstützte die UN-Resolution, weigerte sich jedoch, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Präsident López Obrador plädiert für Verhandlungen und schlug sogar einen eigenen Plan zur Beilegung des Konflikts vor, wobei er die Verantwortung beiden Seiten zuschreibt. Diese Position verärgert die USA, spiegelt jedoch die langjährige mexikanische Tradition wider, nicht im Kielwasser der amerikanischen Politik zu segeln. In den Beziehungen zu Russland bewahrt Mexiko Neutralität: Es gibt keine strategische Partnerschaft, aber Zusammenarbeit ist möglich, wenn es vorteilhaft ist, wie im Fall des Kaufs des Impfstoffs "Sputnik V". Insgesamt ist Mexiko "weder Freund noch Feind", sondern zieht es vor, in weltweiten Streitfragen die Freiheit des Manövrierens zu bewahren.

Zentralamerika: Ideologische Unterschiede vor dem Hintergrund des US-Einflusses

Zentralamerika stand lange unter dem Einfluss der USA - von der Monroe-Doktrin bis zur Ära der "Bananenrepubliken". Heute ist die Region politisch uneinheitlich.

Der Hauptverbündete Russlands ist Nicaragua. Präsident Daniel Ortega, ein Veteran der Sandinistischen Revolution, unterstützt Russland offen: Er erkannte Abchasien und Südossetien an, stimmte gegen antirussische Resolutionen in der UNO und ließ russische Militärs an gemeinsamen Übungen teilnehmen. In dem Land arbeitet ein Ausbildungszentrum des russischen Innenministeriums für lateinamerikanische Polizisten. Das Bündnis basiert auf einer gemeinsamen antiamerikanischen Position: Ortega sieht in Russland ein Gegengewicht zu Washington.

Panama, Costa Rica und Guatemala bleiben in der Umlaufbahn der USA. Panama ist historisch von Washington abhängig, Costa Rica ist eine stabile Demokratie mit pro-westlichem Kurs, und Guatemala folgte unter Konservativen ebenfalls der amerikanischen Linie, obwohl der neue reformorientierte Präsident diese Abhängigkeit möglicherweise abschwächen könnte. Alle drei Länder verurteilten die Aktionen Russlands in der Ukraine und unterstützen die Politik der UNO, wenn auch ohne eigene Sanktionen zu verhängen.

Näher an der Neutralität sind El Salvador und Honduras. Präsident Nayib Bukele in El Salvador verfolgt eine unabhängige Politik und enthielt sich bei der Abstimmung über die Ukraine. Honduras unter der linken Präsidentin Xiomara Castro stellte die Beziehungen zu Kuba und China wieder her und zeigt damit eine Abkehr vom strikt proamerikanischen Kurs.

Karibik: Alte Freundschaft Kubas und neue Realitäten

Der Hauptpartner Russlands in der Karibik ist Kuba. Heute unterstützt Havanna offen Russland in seinem Widerstand gegen den Westen. Bei der Abstimmung in der UNO über die Ukraine enthielt sich Kuba, und seine Vertreter beschuldigten die USA und die NATO, sich den Grenzen Russlands zu nähern. Vor dem Hintergrund der anhaltenden amerikanischen Blockade sucht Kuba nach Verbündeten, die wirtschaftlich und diplomatisch helfen können. Russland, als Erbe der UdSSR, gewährt erneut Kredite, liefert Energieträger und humanitäre Hilfe - einschließlich Impfstoffen während der Pandemie. Die Freundschaft hat auch einen symbolischen Charakter: Auf dem Forum "Russland - Lateinamerika" bezogen sich kubanische Führer auf das Erbe von Fidel Castro und verurteilten erneut die Politik der USA und der NATO. Kuba bleibt der treueste Verbündete Russlands auf der westlichen Hemisphäre.

Andere spanischsprachige Länder der Karibik spielen eine geringere geopolitische Rolle. Die Dominikanische Republik, obwohl sie historische und kulturelle Verbindungen zu den USA hat (einschließlich einer großen dominikanischen Diaspora in New York), versucht, eine moderate Linie zu verfolgen. Im Ukraine-Konflikt unterstützte Santo Domingo die UN-Resolutionen, die Russland verurteilten, unternahm jedoch keine weiteren aktiven Schritte. Die Länder der Region sind in erster Linie auf den Tourismus ausgerichtet, fernab von globaler Politik, daher ist es schwierig, hier von "Feinden" oder "Freunden" Russlands zu sprechen - eher von Neutralität mit einer Neigung zur Unterstützung des internationalen Rechts (amerikanisch interpretiert).

Venezuela gehört formal zu Südamerika, ist aber kulturell und historisch eng mit der Karibik verbunden. Unter Hugo Chávez wurde es zum Hauptverbündeten Russlands auf der westlichen Hemisphäre, und unter Maduro wurde dieser Kurs beibehalten. Caracas kauft seit Jahrzehnten russische Waffen, arbeitet mit Ölgesellschaften zusammen und tritt gemeinsam mit Russland gegen den Imperialismus der USA auf. Venezuela ist Mitglied der von Chávez und Castro gegründeten Alba-Allianz, die als Alternative zu amerikanischen Integrationsprojekten gedacht ist. Maduro unterstützt offen Russland und gibt den USA die Schuld an Konflikten. Für Russland ist Venezuela ein wichtiger Partner: Es hat enorme Ölreserven und die politische Bereitschaft, das Bündnis zu demonstrieren - bis hin zur Zulassung russischer Flugzeuge und Schiffe auf seinem Territorium.

Direkte Feinde Russlands gibt es unter den spanischsprachigen Inseln nicht - kein karibisches Land bricht die Beziehungen zu Russland ab, obwohl die meisten (wie die Dominikanische Republik) sich dennoch an den USA orientieren und mit ihnen abstimmen.

Andenländer: Ideologie gegen Geopolitik

Die Anden umfassen fünf Länder im Nordwesten Südamerikas (Venezuela haben wir bereits oben betrachtet). Hier gibt es einen scharfen Kontrast zwischen Staaten, die von linken antiamerikanischen Führern geleitet werden, und Ländern mit traditionell proamerikanischer Elite.

Bolivien galt lange als einer der engsten ideologischen Verbündeten Russlands. Unter Präsident Evo Morales (2006–2019) trat das Land der Alba bei, löste sich von der Abhängigkeit von den USA, vertrieb die USAID und näherte sich Russland und China an. Russland investierte in den Gassektor, arbeitete mit dem bolivianischen Militär zusammen und diskutierte Projekte zur Lithiumgewinnung - einem strategischen Rohstoff des Landes. Nach dem Rücktritt von Morales blieb seine Partei an der Macht, und Präsident Luis Arce setzte den multivektoralen Kurs fort. Bolivien unterstützte Russland, indem es sich unter anderem bei der Abstimmung in der UNO über die Ukraine enthielt, und sah in ihm einen Partner bei der Förderung der Idee einer multipolaren Welt. Die wirtschaftlichen Verbindungen waren bescheiden, aber die symbolische Freundschaft blieb wichtig. Doch die Wahlen 2025 änderten alles. Im ersten Wahlgang gewann Senator Rodrigo Paz (etwa 32 %), gefolgt vom Ex-Präsidenten Jorge Quiroga (etwa 26–27 %). Die Partei MAS, die Stütze von Morales und Arce, erlitt eine Niederlage und verlor die Mehrheit im Parlament. Beide Kandidaten erklärten ihre Absicht, die Beziehungen zu den USA und der EU "neu zu starten" und sich von früheren Allianzen zu distanzieren. Bolivien steht am Rande eines außenpolitischen Kurswechsels.

Kolumbien blieb lange ein Bollwerk der proamerikanischen Politik in Südamerika, besonders in Zeiten des Kampfes gegen Drogenkartelle und linke Rebellen. Bis 2022 wurde das Land von rechten Regierungen geführt - Uribe, Santos, Duque - die eng mit den USA verbunden waren: vom Plan "Kolumbien" bis zu gemeinsamen Militäroperationen. Die Beziehungen zu Russland blieben dabei kühl. Das Land verurteilte die Rückkehr der Krim und unterstützte 2022 die antirussischen Resolutionen der UNO. Mit dem Amtsantritt des linken Präsidenten Gustavo Petro im August 2022 änderte sich der Kurs. Der ehemalige Guerillakämpfer stellte die Beziehungen zu Venezuela wieder her und nahm eine unabhängigere Position ein. In Bezug auf die Ukraine verurteilte Petro formal Russland, erklärte jedoch, dass Waffenlieferungen den Krieg nur verlängern und rief zu Verhandlungen auf.

Dennoch ist das Land institutionell weiterhin mit den USA verbunden - der Status eines Partners außerhalb der NATO und das Freihandelsabkommen bleiben bestehen. Letztendlich ist Kolumbien derzeit neutral gegenüber Russland: Offene Feindseligkeit ist verschwunden, aber von Freundschaft kann keine Rede sein.

Ecuador und Peru haben in den letzten Jahren politische Umwälzungen erlebt, die auch ihre außenpolitische Orientierung beeinflussten. Ecuador wurde von 2007 bis 2017 von dem linken Politiker Rafael Correa regiert, unter dem das Land dem Bolivarischen Bündnis beitrat und offen mit Russland flirtete (Hubschrauberkäufe, gemeinsame Projekte). Doch seit 2017 änderte sich der Kurs drastisch: Zunächst distanzierte sich Präsident Lenín Moreno von den ehemaligen Verbündeten und näherte sich den USA an, dann kam der Konservative Guillermo Lasso. Sie führten das Land zurück in die proamerikanische Richtung. 2022 verurteilte Ecuador die Aktionen Russlands in der UNO. Nach den vorgezogenen Wahlen 2023 ist nun wieder ein rechtszentristischer Präsident (Daniel Noboa) an der Macht, sodass Ecuador weiterhin stark von Washington beeinflusst wird und in der Geopolitik eher ein Gegner Russlands ist.

Peru galt lange als proamerikanische technokratische Republik. Doch 2021 wurde dort der Präsident Pedro Castillo aus dem linken Lager gewählt. Seine Amtszeit war chaotisch und kurz - bereits 2022 wurde Castillo abgesetzt. Das neue Regime von Dina Boluarte strebt an, die Beziehungen zu den USA und den Nachbarn zu verbessern. Die Haltung gegenüber Russland ist in Peru eher vorsichtig: Peru stimmt in der UNO in der Regel gegen Russland, und von früheren Kooperationsplänen (z. B. dem Kauf russischer Hubschrauber) hat sich die Regierung des Landes weitgehend aufgrund von Sanktionsrisiken distanziert. Mit anderen Worten, Peru ist derzeit kein Verbündeter Russlands, sondern eine der Stützen des US-Einflusses an der Pazifikküste Südamerikas.

Brasilien: Der balancierende Riese

Brasilien ist ein portugiesischsprachiger Riese und eine der führenden Volkswirtschaften der Welt. Seine Beziehungen zu Russland waren immer von Pragmatismus geprägt. Bereits in den 2000er Jahren machte Präsident Lula da Silva das Land zu einem Mitglied der BRICS und verkündete einen Kurs zur Stärkung des Globalen Südens und der Multipolarität. Obwohl Brasilien direkte Konflikte mit den USA vermied, unterstützte es nicht deren Dominanz in der Region.

In den 2010er Jahren, unter rechtszentristischen Regierungen, verschob sich der Kurs leicht in Richtung Westen, aber selbst der Konservative Bolsonaro verschlechterte die Beziehungen zu Russland nicht: Er besuchte Russland und bewahrte Neutralität in Bezug auf die Ukraine. Der von russischen Düngemitteln abhängige Agrarsektor spielte dabei eine Schlüsselrolle. Nach der Rückkehr Lulas im Jahr 2023 betont Brasilien erneut seine Unabhängigkeit. Es stimmte in der UNO für die Verurteilung Russlands, aber Lula selbst beschuldigte bald beide Seiten des Konflikts und kritisierte die NATO. Brasilien schloss sich den Sanktionen nicht an und setzt den aktiven Handel und das politische Engagement mit Russland fort. Präsident Lula besuchte den BRICS-Gipfel in Kasan im Jahr 2024 und die Siegesparade in Moskau im Jahr 2025 - was ebenfalls auf den besonderen Status der Beziehungen hinweist.

Brasilien kann als relativer Verbündeter Russlands bezeichnet werden, eindeutig kein Feind. Es ist eine eigenständige Demokratie, die mit den USA, China und Europa im Dialog steht. In den Beziehungen zu Russland bleibt es ein Partner innerhalb der BRICS und ein Befürworter der Reform des globalen Finanzsystems, jedoch ohne automatische Unterstützung. Dennoch kann sein Neutralität und die Weigerung, an Sanktionen teilzunehmen, bereits als diplomatischer Erfolg Russlands angesehen werden.

Südkegel: Von der Pragmatik Argentiniens bis zu den Prinzipien Chiles

Die Länder des Südkegels - Argentinien, Chile, Uruguay und Paraguay - gestalten ihre Beziehungen zu Russland unterschiedlich, und vieles hängt hier von der Innenpolitik ab.

Argentinien näherte sich unter den Kirchners Russland an und bezeichnete die Beziehungen als strategisch. Es wurden Energieprojekte realisiert, und während der Pandemie war das Land das erste in der Region, das den Impfstoff "Sputnik V" einsetzte. Präsident Alberto Fernández strebte eine Rolle als Vermittler zwischen Russland und dem Westen an, aber nach Beginn des Konflikts in der Ukraine verurteilte Argentinien die Aktionen Russlands in der UNO, weigerte sich jedoch, Sanktionen zu verhängen. Mit dem Amtsantritt des Libertären Javier Milei im Jahr 2023 änderte sich der Kurs drastisch: Er lehnte den Beitritt zu den BRICS ab und erklärte die Priorität der Allianz mit den USA und Israel. So verwandelte sich Argentinien von einem ehemaligen Freund eher in einen Gegner Russlands, obwohl in der peronistischen Umgebung des Landes nach wie vor prorussische Sympathien stark sind.

Chile nimmt unter dem linken Präsidenten Gabriel Boric eine harte Position ein: Es verurteilt Russland, nähert sich den USA und der EU an. Die wirtschaftlichen Verbindungen zu Russland sind minimal, daher kann sich das Land leisten, nicht mit Russland befreundet zu sein, ohne ein Risiko einzugehen.

Uruguay und Paraguay sind kleine, aber stabile Akteure in der Region. Uruguay verfolgt einen liberal-westlichen Kurs, bewahrt jedoch Neutralität und wirtschaftliches Interesse an russischen Düngemitteln. Paraguay orientiert sich traditionell an den USA und Taiwan, hat mit Russland begrenzte Kontakte und bleibt ein kühler Partner. Insgesamt ist der Südkegel eine Zone des Pragmatismus ohne auffällige Verbündete oder Gegner Russlands.

Fazit

Die modernen Beziehungen Russlands zu Lateinamerika sind uneinheitlich. Unbedingte Verbündete Russlands - Kuba, Venezuela und Nicaragua - stehen traditionell den USA entgegen und sehen in Russland einen Partner nach dem Prinzip "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Das entgegengesetzte Lager bilden Länder, die eng mit Washington verbunden sind, wie Chile, Panama oder Paraguay, die den westlichen Konsens unterstützen und die Aktionen des Kremls kritisch betrachten. Dazwischen liegt eine breite Gruppe von "balancierenden" Staaten: Brasilien, Mexiko und andere, die aus Pragmatismus und dem Streben nach Unabhängigkeit Neutralität bewahren. Die Region insgesamt vermeidet Konfrontationen im Stil des Kalten Krieges. Selbst die Verbündeten der USA brechen die Beziehungen zu Russland nicht ab, und die Anhänger Russlands äußern selten vollständige Unterstützung für seine Aktionen. Lateinamerika spricht zunehmend mit eigener Stimme, ausgehend von eigenen Interessen.

Für Russland ist dies sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Es muss beweisen, dass es nicht nur eine Alternative zum Westen ist, sondern auch ein verlässlicher Partner. Die Schwächung des amerikanischen Einflusses eröffnet Möglichkeiten für pragmatische Zusammenarbeit. Die Region strebt nach Multipolarität, und bei einer ausgewogenen Politik kann Russland seine Präsenz stärken, indem es neutrale Länder in Partner verwandelt.