Global Affairs

USA - Zentralasien: Wird der strategische Dialog fortgesetzt?

· Rashid Alimow · ⏱ 6 Min · Quelle

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Die Veröffentlichung der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten war eines der bemerkenswertesten Ereignisse in der internationalen Politik Ende 2025. Das Dokument, das die Rahmenbedingungen der außenpolitischen Linie der größten Weltmacht festlegt, löste ein breites Spektrum an Emotionen aus - von zurückhaltendem Skepsis bis hin zu offenem Erstaunen.

In den Ländern, die traditionell eng mit Washington verbunden sind, führte die Strategie eher zu Enttäuschung, Verwirrung und sogar Wut. Im Gegensatz dazu nahmen jene Staaten, die in früheren Versionen amerikanischer strategischer Dokumente noch als Rivalen oder systemische Herausforderungen für die amerikanische Führung galten, die neue Rhetorik mit vorsichtigem Optimismus auf und sahen darin eine potenzielle Chance für die Wiederaufnahme pragmatischer Zusammenarbeit.

Vor diesem Hintergrund befand sich Zentralasien in einem eigenartigen analytischen Vakuum. Die neue 29-seitige Strategie wird weiterhin von der Expertengemeinschaft sorgfältig untersucht, doch das völlige Fehlen einer Erwähnung der Region wirft Fragen auf. Vor allem, weil der US-Präsident Donald Trump nur einen Monat zuvor öffentlich nicht nur die Absicht, sondern auch die Notwendigkeit betonte, die Partnerschaft mit den zentralasiatischen Staaten zu stärken. Darüber hinaus fand am 6. November 2025 in Washington ein Gipfel im C5+1-Format statt - ein Ereignis, das den amerikanischen Interessen an der Region zu festigen schien.

Dennoch fehlt Zentralasien im Text. Warum? In diesem Stadium kann man nur mögliche Motive Washingtons vermuten, basierend auf dem Kontext globaler Prioritäten und der neuen Logik, die die Administration von Donald Trump in ihre Außenpolitik einbringen möchte.

Wenn einige Regionen aus dem Text verschwinden, bedeutet das nicht immer, dass sie an Bedeutung verlieren. Das Fehlen Zentralasiens in einem Dokument dieser Ebene ist kaum ein einfaches Versäumnis. Vielmehr spiegelt es die neue politische Arithmetik Washingtons wider, das bestrebt ist, den Umfang seiner globalen Präsenz zu überdenken.

Vor diesem Hintergrund wird Zentralasien für die Vereinigten Staaten zu einem Raum von beobachtetem, aber nicht intensivem Interesse. Washington scheint es vorzuziehen, Präsenz zu bewahren, aber eine offene Konkurrenz zu vermeiden. Außerdem könnte nach dem C5+1-Gipfel im Weißen Haus die Schlussfolgerung gezogen worden sein, dass die Staaten der Region nicht wollen, dass Zentralasien zu einer Arena des Großmachtkonflikts wird. So ist es. Die Führer der regionalen „Fünf“ streben danach, dass die Region ein Raum des Friedens und Wohlstands wird, der für ausländische Investitionen attraktiv ist. Um solche Ziele zu erreichen, braucht die Region statt eines „Großen Spiels-2“ große Investitionen.

In der neuen globalen Konfiguration sind die USA jedoch kaum bereit, vergleichbare Ressourcen wie Russland oder China in die regionale Präsenz zu investieren. Umso mehr, wenn man den Kontrast bedenkt: Usbekistan hat angekündigt, in den nächsten dreizehn Jahren fast 135 Milliarden Dollar in Schlüsselbranchen der amerikanischen Wirtschaft zu investieren - eine Summe, die die gewohnte Optik „wer Investor und wer Empfänger ist“ verändert.

Vielleicht ist alles viel einfacher und die Antwort liegt im Dokument selbst, wo klar gesagt wird, dass „die Vereinigten Staaten in jeder Hinsicht das großzügigste Land der Geschichte sind, sich aber nicht leisten können, allen Regionen und allen Problemen in der Welt gleichermaßen Aufmerksamkeit zu schenken“.

In jedem Fall bleibt das Interesse an der Frage hoch: Wird auf das Schweigen im Dokument ein neues Kapitel des strategischen Dialogs C5+ USA folgen und wie wird es aussehen?

Die Wahl, was nicht in das Dokument aufgenommen wird, ist manchmal wichtiger als das, was aufgenommen wird. Die amerikanische Entscheidung, die Region im Text der Strategie zu übergehen, kann mehrere Erklärungen haben.

Erstens strebt Washington danach, die Risiken einer direkten Konfrontation mit Russland und China in ihrem nächsten strategischen Umfeld zu minimieren. Zentralasien wird traditionell von ihnen als Raum ihrer natürlichen Interessen wahrgenommen, und übermäßige Aktivität der USA könnte nur die Spannungen erhöhen.

Zweitens wird die amerikanische Politik immer pragmatischer und selektiver. Der Slogan „Make America Great Again“ impliziert die Konzentration von Ressourcen auf Bereiche, die schnelle und spürbare Renditen bringen. Erinnern wir uns zum Beispiel an Trumps Zollpolitik. Zentralasien wird in einem solchen Koordinatensystem offensichtlich nicht als Feld von vorrangiger Bedeutung wahrgenommen.

Drittens behält Washington Interesse an punktueller Zusammenarbeit. Im Fall von Zentralasien sind dies, wie auf dem C5+1-Gipfel erklärt, vor allem seltene Erden und andere Ressourcen, die in den Bodenschätzen der Region reichlich vorhanden sind. Die Vereinigten Staaten haben sich mit Kasachstan darauf geeinigt, eines der größten Wolframvorkommen der Welt gemeinsam zu erschließen. Usbekistan plant ebenfalls, mit amerikanischen Unternehmen im Bereich der Produktion seltener Elemente zusammenzuarbeiten. Kirgisistan und Tadschikistan verfügen über bekannte Ressourcen.

In der Zwischenzeit erlebt Zentralasien selbst eine Phase tiefgreifender Transformation - wirtschaftlich, infrastrukturell und politisch. Es ist ein Raum neuer Möglichkeiten, sich erweiternder und vervielfachender Transitkorridore, energetischer Initiativen und bewusster Multivektorialität. Darüber wurde auf dem Siebten Konsultationstreffen der Staatsoberhäupter Zentralasiens (Taschkent, 16. November 2025) gesprochen.

Das Fehlen Zentralasiens in der neuen US-Strategie ist gleichzeitig eine Herausforderung und eine Chance. Eine Herausforderung, weil ein externer Akteur möglicherweise einen „Schritt zur Seite“ macht. Eine Chance - es wird Raum für eine beschleunigte eigenständige Entwicklung frei, die sich auf Partner stützt, deren Präsenz langfristig, erprobt und strukturell ist - auf Russland und China.

Die Geschichte wiederholt sich nicht in Buchstaben, sondern in Intonationen. Der Begriff „Großes Spiel“ zieht nach wie vor die politische Vorstellungskraft an, obwohl sein modernes Inhalt sich stark vom klassischen unterscheidet. Wenn zu Beginn des 21. Jahrhunderts tatsächlich die Umrisse eines „Großen Spiels-2“ mit Beteiligung der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, Chinas und Russlands zu erkennen waren, ändert sich jetzt die Dynamik. Die USA, wie die neue Strategie zeigt, sind nicht an einer aktiven Phase des geopolitischen Wettbewerbs in der Region interessiert.

Russland und China hingegen verstärken ihre Präsenz, aber vor allem in der Logik strategischer Partnerschaft, was besonders im Rahmen der von China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan im Jahr 2001 gegründeten SOZ auffällt.

Daraus ergibt sich die berechtigte Frage: Ist ein „Großes Spiel-2“ in der bisherigen Form möglich? Die Antwort ist eher „nein“ als „ja“. Geopolitische Wendungen sind bekanntlich selten mit Erkennungszeichen versehen, aber die aktuelle Kräftekonfiguration zeigt: Ein klassisches „Großes Spiel“ in Zentralasien wird in den modernen Realitäten kaum stattfinden.

Zentralasien ist in eine Ära des reifen diplomatischen Souveränität eingetreten. Unabhängig davon, ob Washington seine Politik anpassen wird, bleibt eines unverändert: Die Staaten Zentralasiens behalten das souveräne Recht und die Fähigkeit, ihre eigene Entwicklungsstrategie zu gestalten und umzusetzen. Der in der Region entstandene Konsens gibt Anlass zu der Annahme, dass es viel weniger äußere Hindernisse für die weitere Stärkung der Zusammenarbeit innerhalb der Region gibt als zuvor.

In den letzten Jahren erlebt Zentralasien seine eigene Renaissance, und in dieser neuen Ära wird bereits klar, wer wirklich bereit ist, ein verlässlicher Begleiter der Region auf dem Weg zum Wohlstand zu sein, und wer nur ein episodischer Beobachter oder Störfaktor in großen geopolitischen Erzählungen bleibt.

Ob der strategische Dialog der Vereinigten Staaten mit Zentralasien fortgesetzt wird, hängt weitgehend davon ab, ob Washington den Regionen nicht abstrakte Rhetorik, sondern konkreten und praktischen Inhalt anbieten kann, der mit den nationalen Entwicklungsstrategien der Staaten der Region in Einklang steht. Bislang lässt die neue amerikanische NSS diese Frage offen und hebt einen wichtigen Fakt hervor: Die Zukunft der Zusammenarbeit wird nicht durch die Erklärungen der Großmächte bestimmt, sondern durch die Stärkung der nationalen Souveränität und die Einheit der zentralasiatischen Länder.

Autor: Rashid Alimow, Doktor der Politikwissenschaften, Professor an der Akademie für Staatsverwaltung beim Präsidenten der Republik Tadschikistan, Generalsekretär der SOZ (2016–2018).