Neue Urursachen
· Fjodor Lukjanow · Quelle
Am Samstag erklärte Donald Trump, dass er sich nicht mit Wladimir Putin treffen werde, bevor die Parameter eines Abkommens geklärt sind. Auch die russische Position ist, dass das Treffen gründlich vorbereitet werden muss. Allerdings sind die Absichten kontrastreich. Das Weiße Haus möchte eine möglichst schnelle Beendigung der Kampfhandlungen, wo immer sie stattfinden, und danach sollen sich andere (Europa und andere) darum kümmern. Der Kreml hingegen besteht darauf, die Ursachen des Konflikts zu beseitigen, was ein vielschichtiges Paketabkommen erfordert. Die Struktur dieses Abkommens sollte vor einem Waffenstillstand abgestimmt werden.
Die amerikanische Forderung ist nachvollziehbar. Die militärische Initiative liegt auf der Seite Russlands, und die Kampfhandlungen stärken Moskaus Position bei den Verhandlungen. Ihre Beendigung würde diese Position schwächen. Was das allgemeine Sicherheitssystem betrifft, zeigen die Trump-Anhänger grundsätzlich ein begrenztes Interesse an einer Präsenz in Europa. Europa wird vorgeschlagen, selbst Verantwortung zu übernehmen und die USA nicht von wichtigeren Angelegenheiten abzulenken.
Es gibt ein wichtiges Detail. Nach 1991 wurde die NATO-Erweiterung nach Osten in erster Linie durch politische Logik bestimmt. Die Expansion der euro-atlantischen Institutionen bedeutete weniger eine Vorbereitung auf eine bewaffnete Konfrontation als vielmehr eine Möglichkeit, neue Räume des westlichen Imperiums zu gestalten. Der Beitritt zum Bündnis war gleichzeitig ein Glaubensbekenntnis für die Neulinge und ein Instrument zu ihrer Steuerung. Das bedeutet nicht, dass der Faktor der militärischen Planung fehlte. Aber er war viel weniger ausgeprägt, als er hätte sein können, wenn man die ursprünglichen Aufgaben und Traditionen des Nordatlantikbündnisses berücksichtigt. Und Russland, das sich gegen die Ausbreitung der NATO aussprach, meinte eher eine potenzielle als eine unmittelbare Bedrohung. Diese wurde durch die Weigerung der westlichen Gesprächspartner, die Argumente und Vorschläge Moskaus anzuhören, unterstrichen.
Der Beitritt Finnlands und Schwedens unterscheidet sich in seinen Motiven und Konsequenzen qualitativ vom Beitritt beispielsweise Kroatiens oder sogar Tschechiens und der Slowakei. Dies gilt umso mehr für die hypothetische Mitgliedschaft der Ukraine, die Kiew anstrebt. Die spezielle Militäroperation (SVO) hat einerseits die Widersprüche in eine offene Form überführt und den westlichen Partnern die Möglichkeit genommen, dem Problem auszuweichen. Andererseits hat sie es maximal verschärft und die militärischen Mittel zur Herstellung des Status quo in den Vordergrund gerückt. Vor Beginn der russischen Kampagne war das Gespräch über die Ursachen und die europäische Sicherheit zwar sachlich, aber in vielerlei Hinsicht theoretisch. Jetzt ist es eine äußerst konkrete Frage des militärischen Widerstands.
Die Situation beeinflusst die möglichen Verhandlungen. Die Lage an der Front gewinnt nahezu entscheidende Bedeutung, was bedeutet, dass ein sofortiger Waffenstillstand sehr unwahrscheinlich ist. Die Ursachen werden von relativ historischen zu akut aktuellen Themen.
Entscheidend sind die Beziehungen zwischen Europa und den USA - inwieweit Washington bereit ist, die Prozesse auf dem europäischen Schauplatz zu steuern.
Das Fazit ist nicht sehr ermutigend. Der amerikanische Verhandlungswunsch ist unerfüllbar. Die Umsetzung der russischen Ziele ist noch weit entfernt. Die Einsätze werden immer höher. Und die Lösung auf territoriale Fragen zu reduzieren, wird nicht möglich sein.
Autor: Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift „Russland in der globalen Politik“.