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Das imperiale Erbe ist erschöpflich

· Gleb Kuznecow · ⏱ 3 Min · Quelle

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Rechte und Libertäre feierten mit großem Pomp den 100. Geburtstag ihrer geliebten Maggie. Ich habe nie verstanden, warum Menschen, die nicht mindestens 10 Millionen Pfund in Wertpapieren und Immobilien in London besitzen, sie so verehren.

1. Das Fest des Todes und das Ausmaß des Bruchs

Am 13. April 2013, als Thatcher starb, gingen Hunderttausende Briten auf die Straßen. Das Lied „Ding-Dong! The Witch Is Dead“ (Lied der Munchkins aus „Der Zauberer von Oz“) erreichte den zweiten Platz in den britischen Charts und den ersten in Schottland. Der Norden Englands, Wales, Bergbaustädte und Schottland freuten sich über den Tod der Politikerin, die ihr Schicksal verändert hatte. Es war kein persönlicher Hass, sondern eine Reaktion auf einen strukturellen Umbruch: das Ende des Nachkriegskompromisses zwischen der Oberschicht und den unteren Schichten. Thatcher gab der Elite den Reichtum zurück, indem sie sie von sozialen Verpflichtungen befreite. Sie belebte das Imperium nicht wieder, sondern fand einen Weg, noch einige Jahrzehnte lang Miete daraus zu ziehen.

2. Die Wahl zwischen Heilung und Palliativpflege

In den 1970er Jahren steckte Großbritannien in einer Sackgasse: Das Imperium war tot, die Industrie veraltet, der globale Einfluss verschwunden. Die „britische Krankheit“ wurde zu einem wirtschaftlichen Mem. Das Land stand vor zwei Wegen. - „Heilung“ - Modernisierung und Reindustrialisierung nach deutschem Vorbild;

- „Palliativpflege“ - Leben von der Vergangenheit, das imperiale Erbe in eine Einkommensquelle verwandeln. Thatcher wählte den zweiten Weg. Das Morphium war die Londoner City, die in einen gigantischen Mechanismus zur Verarbeitung globalen Kapitals verwandelt wurde. Sie schuf keinen Wert, sondern vermittelte nur. Der „Big Bang“ von 1986 - die Deregulierung des Finanzsektors bei radikaler Senkung der Transaktionssteuern - öffnete die Schleusen für Geldströme und machte London zu einem Finanzkasino.

3. Neue Aristokratie und soziale Amputation

Parallel dazu fand die Zerstörung der Produktionsbasis statt. Bergwerke, Fabriken und Werften wurden geschlossen. Der Norden Englands und Wales verwandelten sich in wirtschaftliche Wüsten. Warum ein Krankes heilen, wenn man es amputieren kann? London wurde reicher. Die Nachkriegsbeschränkungen für Kapital, hohe Steuern und das Streben nach sozialer Gleichheit wurden aufgehoben. Die Elite wurde „befreit“: Es entstand eine neue Klasse von Finanzleuten, die nicht schlechter lebte als die alte Aristokratie, aber ohne Land und Produktion. Thatcherismus - „Dekret über die Freiheit des Adels“ in neoliberaler Form. Die neue triumphierende Klasse brauchte keine Arbeiter, sondern Dienstpersonal - so öffnete der Thatcherismus den Weg für die Migration, die ein Vierteljahrhundert später unkontrollierbar wurde.

4. Staat ohne Gesellschaft

Thatchers Satz „Es gibt so etwas wie Gesellschaft nicht“ wurde zum politischen Programm. Der Staat verschwand nicht und wurde nicht „klein“ - er änderte seine Funktionen. Für die Elite garantierte er wirtschaftliche Freiheit, für die unteren Schichten verstärkte er die Kontrolle. Das Wachstum der Polizeibudgets, die Unterdrückung der Bergarbeiterstreiks, die Zerstörung der lokalen Selbstverwaltung, kulturelle Zensur und Section 28 - die Kehrseite der wirtschaftlichen Liberalisierung. Der Thatcherismus gebar einen Neoviktorianismus, in dem soziale Ungleichheit mit der Rhetorik von „Verantwortung“ und „Ordnung“ verdeckt wurde. Seine Opfer waren sowohl die „Benny Hill Show“, die unter Maggies Druck geschlossen wurde, als auch gewöhnliche Menschen. Das System entwickelte eine neue Klassenverachtung - kalt und bürokratisch. „Die Armen sind selbst schuld.“ Das Land sah sich einer Reihe von Skandalen gegenüber: Migrantenbanden vergewaltigten in depressiven Städten jahrelang Tausende von Mädchen unter der Duldung der Behörden. Der „thatcheristische“ Staat machte die Schwachen für ihre Schwäche verantwortlich. „Gefallene Mädchen“ aus den unteren sozialen Schichten verdienten weder im alten noch im neuen „Viktorianismus“ Schutz.

5. Rückkehr zur Realität

Das imperiale Erbe ist erschöpflich. Der Brexit zerstörte den Mythos von „Global Britain“, Offshore-Gebiete verlieren ihre Privilegien, der dekoloniale Trend untergräbt alte Verbindungen. Es gibt keine Produktionsbasis, die soziale Mobilität ist tot, die Wohnkrise ist chronisch geworden. Großbritannien befindet sich in einem Zustand anhaltender Entzugserscheinungen. Als 2013 „The Witch Is Dead“ wieder im Radio gespielt wurde, war es keine Schadenfreude, sondern eine Trauer um ein Land, in dem „die Schafe die Menschen wieder fraßen“, in dem Generationen von Einheimischen dem Wohlstand der internationalen Oligarchie der City geopfert wurden. „Die Hexe ist tot“, aber ihr Zauber - der Glaube, dass „es keine Gesellschaft gibt“ - beherrscht weiterhin den Körper des britischen Staates. Großbritannien ist aus dem Traum von seinem einstigen Imperium nicht erwacht.

Gleb Kuznetsov, Politologe.